Das Modell der Kunststätte Bossard entstand wahrscheinlich in der Zeit zwischen 1912 bis um 1925. Es zeigt den mit Gebäuden versehenen Bereich des 3 Hektar großen Grundstücks. Auf vier einzelnen Gipsplatten gestaltete Johann Bossard neben dem Wohn- und Atelierhaus den Kunsttempel mit seinen ursprünglich geplanten Bauteilen. Nicht dargestellt ist das Neue Atelier, welches erst Anfang der 1930er Jahre auf diesem Areal hinzugekommen ist.
Das Modell des Wohn- und Atelierhauses (auf einer Platte) ist zuerst entstanden. Das tatsächlich umgesetzte Gebäude kommt der Vorarbeit recht nah. Die größte und auffälligste Abweichung findet sich aber auf der Westseite: Statt eines mächtigen Querhauses, das aus der Hausseite heraustritt, entschied sich Johann Bossard für eine bescheidenere Lösung. Zudem ist der sich auf der Südseite befindliche Balkon bei dem Modell nicht überdacht beziehungsweise verglast. Diesen Schritt vollzog der Künstler 1924, um einen hellen, sonnigen Raum zu gewinnen, der auch an Tagen mit kühleren Außentemperaturen genutzt werden konnte. Ebenso zeigt das Urgebraus im Modell einen Unterschied. Anfänglich war nur ein Fenster auf der Seite zum Klostergarten geplant. Mit dem zeitgleichen Bau der Gartenmauer schaffte Johann Bossard sich hier jedoch einen nach außen geschützten und abschließbaren Innenraum, dessen Zugang vom Wohnhaus, mittels einer Tür ermöglicht wurde.
Zwischen 1923 und 1925 erweiterte Johann Bossard das Gipsmodell um drei weitere Platten. An den Ziegelstein imitierenden Bauteilen dieser Phase ist die expressionistische Gestaltung bereits deutlich zu erkennen. Diese wurde auch ausgeführt. Als Eingangssituation plante Johann Bossard einen massiven Baukörper mit einem querrechteckigen Durchgang, der den Innenhof nach Westen zwischen den den Wirtschaftshof begrenzenden Stallungen und der damaligen Fichtenreihe auf der Nordseite abgeschlossen hätte. Tatsächlich realisierte er hier lediglich zwei, einen Eingang andeutende Backsteinblöcke.
Der Kunsttempel sollte ursprünglich aus drei Teilen bestehen – einem Vorbau, dem Hauptraum und einem sich daran anschließenden Bauteil, das Johann Bossard als „Ostertempel“ beziehungsweise „Osterzelle“ bezeichnete. Während der sich vom Modell unterscheidende Vorbau 1936 in Eigenleistung vom Künstler, seiner Ehefrau Jutta Bossard und weiteren Helfern ausgeführt wurde, blieb der Bau der Osterzelle, die zudem in den bestehenden Klostergarten hineingeragt hätte, aus. In einem Brief an seinen Mäzen Helmuth Wohlthat begründete er den Verzicht darin, dass „der als Ostertempel anzusprechende, in der Werbeschrift beschriebene Bauteil nicht auf einer Grundfläche von 6 x 6 m zu sinngemäßer Wirkung“ gekommen wäre.
Die auf dem Modell lose vor die Südseite des Tempels gestellte Osterzelle ist nicht das von Johann Bossard geschaffene Original, sondern wurde um 2000 nach einem historischen Foto nachgebildet. Aus nach dieser Zeit entdeckten Fotografien von Jutta Bossard geht jedoch deutlich hervor, dass der elliptische Anbau ursprünglich etwas höher – bis etwa zu dem unteren Abschluss der Gaubenfenster – und weniger gedrungen als die jetzige Ausführung war. Er sollte aus vertikalen Fensterflächen, die sich mit lisenenartigen Vorsprüngen aus Backstein abwechselten, bestehen. Auch für die Decke war Glas vorgesehen.
Zwischen Kunsttempel und Wohn- und Atelierhaus plante Johann Bossard einen Verbindungsgang. Insgesamt verzichtete er darauf, den bestehenden Klostergarten auf seinem Modell abzubilden, bis auf das Teilstück, das er in den Verbindungsgang integrieren wollte. Die Realisierung des Ganges verwarf Bossard um 1934.
Das Modell ist Teil der Dauerausstellung im Schaumagazin der Kunststätte Bossard in Jesteburg. Am letzten Mittwoch des Monats finden im Schaumagazin Führungen statt. Informationen und Anmeldungen unter Tel.: 0 41 83 / 51 12.
Barbara Djassemi